Nachwort von Michael Meffert
FVS ROS 309”Bernhard Kellermann”
Erlebnisse 15
Seeunfälle Seeunfälle
Das Ende der Geschichte ist schnell erzählt. Nach den nächsten fünf Monaten in der Zwangsjacke aus Gips wurde ich wieder zur Uni gefahren. Dort entfernte man das Monstrum, ein neuer Gips wurde angepasst.Diesmal ein Tutor. Der ging vom Knöchel bis zum Ende des Oberschenkels. Nach einem Monat wurde auch der Tutor entfernt, der Nagel ebenfalls und nun kam der Moment der Wahrheit. Was soll ich sagen- der Knochen war zusammengewachsen. Das ist ein großer Moment für mich gewesen, denn wäre das nicht geschehen hätte es nur die Alternative Amputation gegeben. In der letzten Abliegezeit habe ich auch Post vom Justiziar des Fiko bekommen. In einem Brief teilte er mir mit, daß mein Unfall als Betriebsunfall - Verschulden des Betriebes, anerkannt worden ist. Er teilte mir ebenfalls mit, daß die Versicherung des Fischkombinates, DARAG ( Deutsche Auslands- und Rück-Versicherungsgesellschaft) sich mit mir in Verbindung setzen wird, um das Finanzielle mit mir zu besprechen. Das erfolgte dann zu meiner Zufriedenheit, so daß wenigstens in dieser Hinsicht meine Zukunft abgesichert war. Ich denke; das Fiko mußte einsehen, daß sie bei dem Mist, den sie verbockt haben, aus der Nummer nicht herauskommen. Nun war also Schluss mit der Geschichte und obwohl die Sache für mich mit diesem blöden Ende ausging, war die Fahrenszeit das Schönste und Intensivste, was ich während meines gesamten Berufslebens erlebte. Da waren noch so viel schöne und auch deftige Dinge die mir widerfahren sind. Im ersten Lehrjahr gab es in meiner Klasse ein pikantes Vorkommnis. Irgendeiner hatte sich ein paar Tierchen eingefangen. Es handelte sich um Filzläuse, in unserer Sprache, Sackratten bzw.Matrosen am Mast. Was wir nicht wußten, die lieben Tierchen wanderten auch über die Kleidung zu anderen Wohnheiminsassen. Wir waren also in der nächsten Zeit ständig am Jucken. Ein Kollege wollte das Übel mit Pitralon in den Griff bekommen. Der ist fast bis zurLampe hochgesprungen. Am Ende waren wir gezwungen, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Peinlich! Auf dem Logger hatten wir mal einen Hol Hering an Bord. Irgendwie sollten diese geschlachtet werden. Ich weiß nicht mehr warum, ob Rogen gesammelt wurde oder was auch immer. Jedenfalls stand ich im Fisch, über und über mit Küt beschmoddert. Ich weiß noch, daß ich mich bückte, die linken Hand am Schanzkleid, mit der anderen Hand wühlte ich mir Heringe ran. Auf einmal verspürte ich an der linken Hand einen Schmerz. Da hatte ein dummer August meine kütbeschmierten Finger wahrscheinlich mit einem Stück Fisch verwechselt. Wir guckte uns beide erschrocken an und die blöde Möwe suchte das Weite. Am Ende des ersten Lehrjahres, kurz vor dem in Kürze folgendem Bordeinsatz,wurden wir in die Poliklinik bestellt. Dort hatten wir eine Einweisung, welche medizinischen "Gefahren"uns z.B. beim Einlaufen in einen grönländischen Hafen eventuell über den Weg laufen können. Ich erinnere mich, es waren sehr,sehrdrastische Worte, die der Referent wählte. Möchte dieses aber nicht weiter ausmalen. Ein halbes Jahr später wußte ich, was der Gute gemeint hat. Wir fischten vor der grönländischen Westküste und mußten aus irgendeinem Grund den Hafen von Godthab anlaufen. Es waren glaube ich zwei, drei Tage. Irgendwann passierte es,daß unser Dampfer von sehr fröhlichen Frauen regelrecht gekapert wurde. Das Resultat zeigte sich nach einigen Tagen auf See. Es juckte dolle. Nun war Penicillin noch nicht so verbreitet. Also Sulfoamidinjektion! Wir sagten Zementbomben dazu. Außerdem wurden Sanierstäbchen verteilt. Böse! Das Beste kam aber noch. In Rostock angekommen, mußten die Betroffenen, es waren so zwischen zehn bis fünfzehn Leute in der Rostocker Augustenstraße zwecks Nachuntersuchung antanzen. Nun muß man sich vorstellen, wenn fünfzehn gestandene Hochseefischer in so einer Klinik, auf einem Schlag, auftauchen - äußerst peinlich! An anderer Stelle hatte ich schon geschrieben, wie bescheiden schön die Frage der Devisen damals war. Manchmal wurde durch Eigeninitiative dieser Zustand ins Positive umgewandelt. Beispielsweise wenn es gelang , zwei bis drei Flaschen Schnaps, oder etwas Bier beim Auslaufen am Zoll vorbei zu schleusen. In Norwegen hat man dafür schöne Preise erzielt. Ein anderes Beispiel ist Sankt Jones gewesen. Dort fanden sich auch immermal portugiesische Fischer ein. Das war dann so. Die Portugiesen hatten Dollar, aber kaum Arbeitsschutzbekleidung. Wir besaßen keine Dollar, aber dafür Arbeitsschutzbekleidung. Das Resultat - ein schönes Tauschgeschäft zu beiderseitigem Vorteil. Eine andere kleine Episode. Auf der Kellermann existierte ein schöner Räucherschrank. Während der Heimreise wurde geräuchert. Decksgang, Maschine, Verarbeitung, jeder an einem anderen Abend. Es war immer ein kleines Fest. Bei einer Heimreise, als die Maschine dran war, ist folgendes passiert: Der Kollege, welcher beauftragt war, den Räucherofen in Gang zu bringen, hat zum Entfachen des Feuers gedacht; mit einem Schmierölllappen geht das besonders gut. Die Räucherware soll sehr delikat geschmeckt haben. Eine andere Geschichte ist die Begegnung mit der Doryfischerei. Wir dampften zwischen Island und Ostgrönland. Da begegneten wir einem Dampfer, der dabei war, etliche Ruderboote auszusetzen, immer belegt mit einem Mann. Ich erfuhr, daß es sich dabei um Doryfischerei handelt. Es war eine portugiesische Methode der Fischerei auf Kabeljau. In den Booten befand sich eine Art sehrlanger Schnur, die alle paar Meter mit Haken und Köder versehen wurde. Dann ruderten oder segelten,mit Hilfe eines einfachen Segels, die Boote vom Schiffweg, um zu fischen. Am Abend wurden sie vom "Mutterschiff" wieder eingesammelt. Der Haken an dieser Geschichte ist folgender. Auf See kann das Wetter sehr schnell umschlagen,wenn z.B. Nebel reinzieht oder ein plötzlicher Sturm aufkommt. Dann möchte man nicht in der Haut der portugiesischen Seeleute stecken. Wir haben einmal beim Hieven ein zerschlagenes Doryboot im Netz gehabt. Außerdem lagen damals im Kombinat einige dieser Nußschale. Wenn man bedenkt, daß daran immer ein Menschenschicksal hing, kommen einem sehr komische Gefühle. Ein kleines, lustiges Erlebnis vom Logger muß ich noch erzählen. Beim Schleppen, wenn nichts zu tun war, haben wir Drachensteigen gespielt. Das ging so. Um den Dampfer schwirrten immer große Möwenschwärme. Da haben wir aus Geigel an eine dünne Schnur einen Fisch gebunden und achtern ausgeworfen. Verfressen, wie die dummen Auguste waren, hing ziemlich schnell so ein Flattervogelwie ein Drachen an der Leine. Wir haben natürlich nicht losgelassen. Manchmal stürzten sich Artgenossen auf unseren Drachen und wenn der dann losließ, hatten wir dann einen Stellvertreterdrachen an der Schnur. Alles in Allem hat mir das Niederschreiben der in Erinnerung gebliebenen Erlebnisse geholfen, diese überwiegend sehr schöne Zeit zu verarbeiten. Das Kapitel Hochseefischerei war damit für mich zu Ende.