Eine Postübergabe im Eis und die Folgen 1966 Erinnerungen von Bernd Leverenz Wir kamen von zu Hause und wollten in einem größeren befischbaren Eisgebiet eine Postübergabe per Schlauchboot durchführen. Die Situation wurde günstig, als wir zusammen mit der NELL eine Wake fanden die eigentlich ideal war. In der Zeit der Suche begann es aufzubrisen, wobei das uns umgebende Eisfeld die Dünung beruhigte. Der Plan war, dass nach der Postübergabe die NELL langsam abdampfen sollte und die KELLERMANN, nachdem sie einen Halbkreis gedampft hat, uns am ehemaligen Standort der NELL wieder aufnimmt. Nachdem das alles mit uns besprochen wurde, wurden wir mit unseren Postsäcken im großen Schlauchboot von der KELLERMANN abgesetzt und begannen die Überfahrt geruhsam mit unseren Stechpaddeln. Im Jahre 1966 gab es im Kombinat noch keine Außenborder. Nach ungefähr geglaubten 100m Fahrt wurde neben uns das Wasser unruhig und die Schwanzflosse eines Wals tauchte behäbig neben uns auf und glitt genauso ruhig zurück ins Wasser und war dann fort. In relativ kurzer Zeit haben wir dann die NELL erreicht und die Post übergeben. Nachdem wir uns von der NELL freigepaddelt haben, gab die NELL das vereinbarte Signal und begann sich langsam zu entfernen. Nun erst stellten wir fest, dass die NELL in einer aufziehenden Nebelbank verschwand. Was dann passierte hat sich förmlich in meinem Bewußtsein eingebrannt. Die NELL war weg, wir trieben im Nebel vom Wind getrieben in das Eis. Es war hundekalt und feucht und zu allem Unglück war von der KELLERMANN nichts zu sehen und zu hören. Wir hatten jeder ein Stechpaddel und unsere Schwimmweste, jedoch keinerlei weitere Rettungsmittel, weder Signalgeber, Notraketen, Lampen oder Radarreflektor. Notsender gab es ebenfalls nicht. So trieben wir machtlos ins Eis und versuchten unser Schlauchboot mit den Stechpaddeln von den Eisschollen fernzuhalten. Mit unseren Gedanken waren wir nun, jeder für sich, allein im Eis. Wir vier müssen wirklich starke Charaktere gewesen sein, denn bei uns lief alles ruhig ab. Keiner zeigte Anzeichen von Panik. Auch wenn wir uns an Deck hin und wieder kräftig gekabbelt haben, bildeten wir eine starke Gemeinschaft. Darauf komme ich in einem späteren Bericht zurück. Nach einer von uns gefühlten Ewigkeit tauchte endlich im Nebel ein schwach beleuchteter Schatten auf, es war die KELLERMANN. Die ganze Aktion hat über eineinhalb Stunden gedauert. Zehn Minuten nachdem wir wieder an Bord waren, wurde bereits wieder ausgesetzt. Nicht einmal für einen heißen Tee bzw. ein kurzes Gespräch war Zeit und Interesse vorhanden gewesen. Später haben wir erfahren, dass das Abdampfen des Halbkreises zu unserer Aufnahme abgebrochen werden mußte, da wir bereits zu weit in das Eis getrieben waren. So mußte ein neuer Anlauf mit einem größeren Bogen abgefahren werden, um uns letztendlich zu finden und wohlbehalten zurück an Bord zu holen. Über eine Seenotmeldung war bereits auf der Brücke diskutiert worden. Wahrscheinlich liest sich die Begebenheit mit dem Wal wie ein Klischee, jedoch das Erlebte in diesem Bericht gehört zusammen und sollte nicht auseinander gerissen werden. Ich stelle mir heute noch die Frage, wollte uns der Wal vor einer drohenden Gefahr warnen ?
"Rache der Hochseefischer im Überseehafen" Wir liefen unter Schlepperhilfe zu einer neuen Fangreise aus und wurden bis kurz hinter der Warnemünder Mole von zwei Schleppern bugsiert. Soweit ich mich erinnere drehte unsere Maschine mit wenigen Umdrehungen mit. Nach dem Verlassen des Molenfahrwassers in Richtung See warf zuerst der achtere Schlepper nach Signal die Leine los. Kurze Zeit später gab der vordere Schlepper ebenfalls Signal und warf, da bereits genügend Fahrt im Schiff war, die Schlepptrosse ab. Zum gleichen Zeitpunkt merkten wir, dass unsere Hauptmaschine unnatürlich schnell hochgefahren wurde. Als nächstes gab es so etwas wie einen dumpfen Knall, der Schornstein spie dicken schwarzen Qualm aus und dann war Ruhe im Schiff. Die Schlepper, die bereits abgedreht hatten kamen nach Typhonsignal zurück und nahmen uns wieder auf die Haken. Das geschah alles in Windeseile. Wir wurden im beengten Fahrwasser um 180° gedreht und nun ging es wieder zurück bis in den Überseehafen. Was auf der Brücke los war hat uns später der Rudergänger erzählt. Angekommen im Überseehafen legten wir uns im Päckchen neben einen 10000 Tonner der Friedenklasse. Wie die Größenverhältnisse hierbei sich uns darstellten merkten wir erst, als wir an Land wollten und von unserem Peildeck auf das Schanzkleid des Großen treten konnten. Natürlich nur unter Einsatz eines Laufstegs, der uns vom Großen zur Verfügung gestellt wurde. Da wir vom Zoll inzwischen frei gegeben wurden, sowie Hunger und Durst bekamen, meldeten wir uns zu viert an Bord ab und begaben uns nichts ahnend, in unseren Fischereiklamotten, in den KONSUM an der Pier. Nachdem wir unseren Einkauf im Korb hatten, wollten wir bezahlen. Plötzlich sahen wir uns einer aufgebrachten Frau gegenüber, die von uns verlangte sofort das Geschäft zu verlassen. Was wir selber nicht riechen konnten hat dieser Verkäuferin die Sinne geraubt. Den ganzen Laden hat sie gegen uns in Rage gebracht. Damit es nicht noch eskalierte haben wir ohne Einkauf den Laden vorerst verlassen. Was war der Anlass für diesen Eklat, ganz einfach, es war der Geruch unserer Klamotten. Da wir so etwas nicht auf uns sitzen lassen wollten haben wir an Bord uns intensiv umgesehen und hatten Glück. Einige Kollegen der Verarbeitung haben den Laderaum gesäubert und dabei ein Stück Filet gefunden welches bereits sehr stark gerochen hat. Wahrscheinlich hatte die Löschgang sich verbotenerweise mit Filet versorgt und dieses Stück Filet wohl übersehen, oder sie wurden gestört. Nun hatten wir was wir wollten. Daraufhin hat einer von uns sich umgezogen und ist mit dem Stück Gammel in einer Tüte zurück zum KONSUM gegangen. Dort hat er das Stück, da wegen der kalten Jahreszeit geheizt wurde, zwischen einem Heizkörper und der Wand versenkt. Es hat auch nicht sehr lange gedauert und die nächsten Einkäufer kamen aus dem besagten KONSUM zurück und schimpften, dass der Konsum aus Not geschlossen hat, da es dort unsäglich gestunken hat und die gesamte Konsumbesatzung nach der Ursache gesucht hat. Wir haben darüber unseren Mund gehalten und einige Verarbeiter haben uns mit Freude in den Augen angesehen. Am nächsten Vormittag wurden wir wieder neu ausklariert, die Maschine lief wieder wie eine Biene und wir waren auf dem Weg zum Fangplatz.
FVS ROS 309”Bernhard Kellermann”
Erlebnisse 9
Arbeitsunfall ROS 212 Arbeitsunfall ROS 212